2. Mado Kara Mieru
Das zweite Lied im “Tag“ Zyklus des Albums wird auf Japanisch gesungen. Ins Deutsche übersetzt lautet der Titel „Das Fenster, durch das ich sehe“ und basiert auf einer Folge von fünf „Haikus“.
Wie oft, bei einem so vielschichtigen Werk wie „Calling All Dawns“, führt eine Antwort aber zuerst zu weiteren Fragen: Was bitte ist ein Haiku? Unsere Antwort darauf, soll gar nicht zu sehr in die Details eingehen, aber zeigt doch die Tiefe & Komplexität, die in der Komposition steckt: Haiku ist eine traditionelle japanische Gedichtform, die gleichzeitig die kürzeste Gedichtform der Welt ist: Es bestehet aus 3 Phrasen mit 5 + 7 + 5 Silben und hat keinen Anspruch sich zu reimen.
Mado Kara Mieru basiert auf fünf Haikus, die sich mit dem Wechsel der Jahreszeiten befassen: Frühling, Sommer, Herbt, Winter und dem folgenden Frühlingsbeginn. Dabei wird jeder Vers von einer Sängerin unterschiedlichen Alters vorgetragen: Ein junges Mädchen besingt den Frühling, eine Teenagerin singt über den Sommer, eine ältere Frau singt über den Herbst, etc.
Am Ende schließt sich der Kreis und man kehrt zurück zum jungen Mädchen, das wieder den Frühling besingt: Der Reigen der Jahreszeit, der Kreis des Lebens oder der Zyklus aus den 3 Sätzen Calling All Dawns (Tag, Nacht & Dämmerung – entsprechend Leben, Tod und Wiedergeburt) – das Album hat ein wiederkehrendes Thema.
3. Dao zai fan ye
Der dritte Titel des Albums bleibt mit chinesischem Text weiter im asiatischen Raum. Dieser stammt aus der Feder des Philosophen Lao-Tze, der 600 v. Christus gelebt hat und ist ein Teil der Gründungsschrift des Daoismus, dem Daodejing.
Schonwieder seltsame Worte, die man nicht kennt…
Daoismus ist eine Philosophie/Weltanschauung, die in China hohen Stellenwert besitzt und das Leben in Harmonie mit der Welt in den Mittelpunkt stellt.
Eine eindeutige Übersetzung des Daodejing und seiner 40. Schrift „Dao Zai Fan Ye“ ist dabei sehr schwierig, da frühes Mandarin sehr kryptisch und mehrdeutig ist – zum Beispiel ist das Schriftzeichen für „Musik“ dasselbe wie für „Freude“.
Generell geht es in der frühen chinesischen Philosophie um das Erreichen von (innerem und äußerem) Frieden und einem ausgeglichenen Leben. Gerade jetzt klingen diese Ziele besonders wünschenswert…